Thursday, September 4, 2008

The Sweet




Sweet Fanny Adams
(von 1974)

Das erste Album dieser Rubrik widme ich einer Band, die ich seit weit über 30 Jahren zu meinen Lieblings-Bands zähle: "The Sweet".

"The Sweet" bestand von 1971 bis 1978 aus Sänger Brian Connolly, Gitarrist Andy Scott, Schlagzeuger Mick Tucker und Bassist Steve Priest. Sie waren von 1972 bis 1975/76 in Europa äußerst erfolgreich; hierzulande waren sie eine der bekanntesten und erfolgreichsten Bands.


Ihre Hit-Single-Bilanz in Deutschland war in den 70er Jahren die erfolgreichste aller Bands, achtmal landete eine Single von ihnen auf der Nummer 1 in Deutschland, in ihrer Heimat England konnten sie einen Nr.-1-Hit verbuchen und in den USA kamen sie immerhin bis auf Rang 3 in den Charts.


1968 erhielt die noch junge Band, die sich zu Anfang noch "The Sweet Shop" nannte, einen Plattenvertrag in England, doch ihre vier veröffentlichten Singles wurden Ladenhüter, niemand nahm Notiz von ihnen. Der Erfolg kam erst 1971 mit einem neuen Plattenvertrag und dem Wechsel zu RCA. Sie benannten sich in "The Sweet" um und unter dem neuen Label und der Betreuung des Produzenten Phil Wainman und dem Songschreiber-Team Nicky Chinn & Mike Chapman kam dann der Erfolg.

Sie landeten in England und auch bei uns Hit-Erfolge mit den Singles "Funny, Funny", "Co-Co" (mit dem sie 1971 in Deutschland ihren ersten Nr.-1-Hit hatten) und "Poppa Joe" von 1972. Diese Lieder waren im Stil der damals herrschenden Pop-Musik aufgenommen, eine Musik, die später "Bubblegum"-Stil genannt wurde - eine Bezeichnung, die ich sowas von daneben empfinde.

1973 wurde ihr erfolgreichstes Jahr; die Singles "Block Buster", "Hell Raiser" und "The Ballroom Blitz" (das unter Fans so etwas wie eine Hymne wurde) etablierten ihren Erfolg und machten sie zu Super-Stars.
1974 erschien dann die LP "Sweet Fanny Adams", ein Album, aus dem nicht eine einzige Single ausgekoppelt wurde - etwas was damals und auch heute noch absolut unüblich war. Ach so, LPs sind die schwarzen Dinger, die es vor der CD gab, die man weitaus vorsichtiger behandeln mußte und die (wie ich widerstrebend zugeben muß) auch nicht so robust waren wie die CD.

Aber im Gegensatz dazu haben CDs auch nicht den Spaß, den man mit guten LP hatte. Manche der Alben waren von den Künstlern richtig aufwendig gestaltet worden, was heute nicht mehr möglich ist. Die CDs sind immer in denselben Hüllen eingepackt, die nicht verändert werden können oder mit irgendwelchen Extras ausgestattet werden können - mal abgesehen von den (so genannten) "Booklets".


Der Wechsel in der Musikrichtung, den "The Sweet" mit den 1973er Singles in die Rock-Richtung eingeschlagen hatten, wurde auf "Sweet Fanny Adams" konsequent weitergeführt. Es war (und bleib es auch) eines ihrer härtesten Alben, schon das Eröffnungslied "Set me free" ist heute ein Klassiker in der Rock-Richtung, die auf dem ganzen Album eingehalten wird.

Den Musik-Stil auf ihrem dritten eigenen Album kann man nur mit dem Begriff Hard-Rock umschreiben, denn nichts anderes bietet die LP – das aber in reinster, höchster und bester Perfektion. Auf dem gesamten Album gibt es nicht ein Lied, das ich als schlecht bezeichnen würde und man kann sich das Werk von vorne bis hinten anhören, ohne dass Langeweile oder Desinteresse aufkommt; auch dies etwas, was damals und teilweise leider auch heute noch absolut unüblich war.

„Set me free“, das Eröffnungslied der LP, komponiert von Gitarrist Andy Scott, schenkt dem  Hörer gleich voll aus den Gefilden des Rock ein. Was die Gitarren-Soli angeht, so bot Andy Scott auf der ganzen LP eigentlich sehr viel Gutes, aber bei „Set me free“ doch eine mehr als überzeugende Probe seines Könnens. Auch Schlagzeuger Mick Tucker mußte auf dieser LP Schwerstarbeit leisten, doch tat er das in seiner ihm eigenen Art, die jedes dieser Lieder zu einem kleinen Kunstwerk werden ließ (klingt das übertrieben?).

Die englische Heavy Metal-Band „Saxon“, die zusammen mit "Iron Maiden" zu den Vorzeige-Vertreten ihres Musik-Stil gehören, veröffentlichte auf ihrem 1984er Album „Crusader“ eine Cover-Version von „Set me free“ und wenn auch das Album (entgegen ihrer sonstigen Art) nicht so kraftvoll produziert war, so klingt diese Coverversion doch eigentlich ziemlich gut.

Das zweite Lied auf der LP heißt „Heartbreak today“ und zeigte gleich nach der Eröffnungsnummer „Set me free“, dass die Band auch ruhigere, und dennoch Hard-Rock-mäßige Töne anschlagen konnte. Etwas ruhiger geht es bei diesem Lied zu, was aber auf dieser LP keineswegs heißen soll, dass es eine Ballade ist – eine Ballade gibt es auf dem ganzen Werk nicht zu hören. Andy Scott spielt bei diesem Song ein wunderbares Gitarren-Solo.

Nach dem gemäßigten „Heartbreak today“ gibt „No you don´t“ gleich wieder Gas. Doch ist es nicht nur die Tatsache, dass hier Steve Priest den Hauptgesang erledigt, die dieses Lied etwas aus dem Rahmen hebt, sondern es ist auch seine Machart. Die Textzeilen werden aus dem Rhythmus des sonstigen Liedes ohne den vorantreibenden Klangteppich vorgetragen, und erst beim Refrain setzt dieser wieder ein. Klingt jetzt vielleicht etwas merkwürdig, aber es funktioniert bei „No you don´t“ bestens. Zusammen mit „Set me free“ ist es einer der Höhepunkte auf der LP.

Und weiter im Text: „Rebel Rouser“ ist vielleicht eine Spur schlechter als „No you don´t“, doch sind beide Lieder zu verschieden, um sich auf direkte Vergleiche einzulassen. Auf ihre Art sind beide hervorragend und ein musikalischer Genuß. „Rebel Rouser“ eröffnet mit einem Schlagzeug-Intro, das in seiner Art ebenso genial ist wie vieles andere an diesem Lied – und dieser LP.

Das letzte Lied auf der 1. Seite bietet dann auch das vielleicht schlechteste Lied des Albums. „Peppermint Twist“ ist eine Cover-Version des Hits von „Joey Dee & The Starliters“, den Dee selber komponierte. Aber auch dieses Lied ist nicht wirklich schlecht, im Gegensatz nur zu den anderen genialen Songs auf dem Album läßt es nur etwas nach. Es ist weder, daß der Song kein Tempo hätte, oder er sonst irgendwie produktionstechnisch abfallen würde, es ist nur so, dass bei mir jedenfalls der "Peppermint Twist" nicht den guten oder hervorragenden Eindruck machte wie die anderen Liedern auf „Sweet Fanny Adams“.

Genau wie „Set me free“ auf Seite 1 der LP, wird auch die zweite Seite mit einem überragenden Lied eröffnet; mit „Sweet F.A.“. Über 6 Minuten ist es damit das schnellste Lied dieser Länge, dass die Band jemals produziert hat. Und ebenso wie bei „Set me free“ wird auch bei diesem Song das Herz jedes Hard-Rock-Fans höher schlagen lassen.

Bei „Sweet F.A.“ gibt es, betachtet man sich die wenigen Textzeilen, sehr viel Instrumental-Musik, nicht nur ein gelungenes Solo, auch zwischendurch wird man ungewöhnlich lange mit der Musik ohne Gesang unterhalten, eine Art und Weise, wie sie nur wenige Band verwenden – und eine Art und Weise, die die englische Heavy-Rock-Band „Iron Maiden“ in Perfektion beherrscht.

„Restless“ muß ich zusammen mit „Peppermint Twist“ zu den Tiefpunkten des Albums zählen, obwohl auch hier das Wort Tiefpunkt an sich schon eine Beleidigung ist. Ich wünschte, alle "Tiefpunkte" wären immer noch so gut wie diese beiden Lieder. Ein Tiefpunkt ist es nur, weil die Begeisterung, die bei fast allen anderen Songs der LP aufkommt, hier ein bißchen ausbleibt. Und dass das Lied etwas ruhiger ist, hat damit bestimmt nichts zu tun; auch dass Steve Priest hier wieder den Gesang ablieferte, kann eigentlich nicht der Grund sein.

Mit „Into the Night“ bescherte die achte Nummer des Albums (erneut eine alleinige Komposition von Andy Scott) wieder ein brillantes Lied, nicht weil es anders ist, sondern weil es gerade deshalb so intensiv ist und den Hörer nicht mehr losläßt. Zur Mitte hin wird das Tempo für das Gitarrensolo noch einmal angehoben und gegen Ende wünscht man sich einfach nur, dass es noch nicht zu Ende gehen möge. „Into the Night“ ist eines der Highlights der Band – nicht nur dieses Albums.

Mit „AC / DC“, bei dem wieder etwas rockiger, oder besser gesagt, schneller zugeht, wird der Hörer nach dem Genuß eines genialen Albums ins Finale geschickt. Mit „No you don´t“ ist dieses Lied übrigens das einzige, das noch aus der Feder von Nicky Chinn & Mike Chapman stammte. Für mich liegt „AC / DC“ irgendwo in der Mitte des Albums, es ist deutlich besser als „Restless“ oder „Peppermint Twist“, aber längst nicht so gut wie die schon angesprochenen Höhepunkte. Es ist ein schnelles Lied aus der Sparte des Hard-Rock, mit dem die LP ein würdiges Ende findet – wobei man gerade dieses Ende noch gar nicht haben will.

Abschließend würde ich „Sweet Fanny Adams“ zu den besten Alben zählen, das die Band in ihrer Karriere vorlegte.


Wie viele ihrer alten LPs und Singles erzielt auch "Sweet Fanny Adams" heute unter Fans hohe Sammlerpreise. Auf Flohmärkten habe ich dieses Album bei speziellen Händlern schon mit Preisen um die 15 Euro gesehen und das ist schon einige Jahre her. Auf Sammlerbörsen wird man für ein gut erhaltenes Album bedeutend mehr investieren müssen.

Übrigens, ein immer noch teilweise herrschender Irrglaube ist der, das alte Langspielplatten automatisch zu Sammlerstücken werden, die einen hohen Sammlerpreis erzielen. Aber das ist nicht ganz richtig; Sammlerpreise erzielen nur Langspielplatten, die zwar alt sind, aber sie müssen auch gut erhalten sein. LPs also, die noch so aussehen, als wären sie gestern erst aus dem Geschäft geholt worden.

Eine 30 Jahre alte LP, die völlig zerkratzt, zerfurcht und verstaubt ist, ist genauso viel wert wie eine völlig zerkratzte, zerfurchte und verstaubte LP, die ein Jahr alt ist - nämlich gar nichts.

Sammlerpreise erzielen nur gut erhaltene LPs, die ebenso gut erhalten sind wie auch die Cover, die für Sammler teilweise mindestens ebenso wichtig sind.

Anfang der 90er Jahre war der Siegeszug der CD nicht mehr aufzuhalten und so erschienen bald viele alte Alben erneut auf CD. Auch die LPs von "The Sweet" waren bald alle auf CD erhältlich. "Sweet Fanny Adams" kann man hier bestellen.

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